Arbeitsbericht Nr. 75

Freiling, Jörg / Sieger, Christina A.:  Insourcing als räumliche Lieferantenintegration

Arbeitsberichte des Institut für Unternehmensführung, Ruhr-Universität Bochum, 75 (1999)

Abstract

Entscheidungen zur Gestaltung der Leistungstiefe im allgemeinen und der Fertigungstiefe im speziellen nehmen in der betriebswirtschaftlichen Literatur seit nunmehr über zehn Jahren einen großen Stellenwert ein. Auch in der Praxis ist diese Thematik auf außerordentlich großes Interesse gestoßen, was sich in grundlegenden Neuordnungen der betrieblichen Wertschöpfung seitens der Unternehmungen äußerte. So wurde insbesondere die Wertschöpfungstiefe zum Teil deutlich reduziert. Auch in Zukunft kann davon ausgegangen werden, daß sich der Trend fortsetzt, wenn auch die Dynamik abnimmt und sich die Akzente verschieben. Allerdings haben sich auch einige Branchen dem Trend zum Outsourcing weitgehend entzogen, so daß eine gewisse Relativierung dieser allgemeinen Entwicklung erforderlich erscheint. Vor allem stellt sich gegenwärtig für viele Unternehmungen die Frage, wie weit ein derartiger Auslagerungsprozeß gehen kann, ohne für das auslagernde Unternehmen zu gravierenden Nachteilen unterschiedlichster Art zu führen.

Vor diesem Hintergrund sind gegenwärtig zwei Entwicklungen erkennbar:

  • Unternehmungen nehmen Abstand vom Outsourcing und gehen den Weg zurück zur vertikalen Integration. Ausgelagerte Wertschöpfung wird reintegriert, wobei dies mit zunehmendem zeitlichen Abstand zwischen Aus- und Wiedereingliederung immer schwieriger wird.
  • Man versucht gegenwärtig, die Vorteile des Fremdbezugs mit den Vorteilen der Eigenfertigung zu verbinden. Dabei geht man den Weg, die Leistungserstellung des Lieferanten auf das Areal des Auftraggebers zu verlegen (räumliche Lieferantenintegration).

Beide der hier genannten Fälle werden in der Literatur unter dem gleichen Terminus, nämlich Insourcing, behandelt. Im Rahmen des vorliegenden Beitrags wird das Phänomen des Insourcings in Form der räumlichen Lieferantenintegration näher untersucht. Ein solches Insourcing stellt eine Hybridform zwischen unternehmungsexterner und –interner Leistungserstellung dar, durch die die Koordination zwischen Zulieferer und Abnehmer in vielerlei Hinsicht verbessert werden kann. Als wesentliche Vorteile gelten: Senkung von Liefer- und Entwicklungszeiten, Senkung logistischer und koordinativer Kosten sowie Erhöhung der Produkt- und Prozeßqualität.

Folgende Ziele stehen bei der Untersuchung im Vordergrund:

  • Erforschung der Ziele des Insourcings als räumliche Lieferantenintegration (Kapitel II),
  • Typologisierung alternativer Erscheinungsformen dieses Insourcings (Kapitel II und III),
  • Bestandsaufnahme über Insourcing-Erfahrungen in der betrieblichen Praxis (Software- und Automobilzulieferindustrie) anhand fünf ausgewählter Fallstudien aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz (Kapitel III),
  • Nutzbarmachung des Ressourcenansatzes (resource-based view) als theoretischen Bezugsrahmen zur Analyse der Zusammenarbeit von Zulieferern und Abnehmern innerhalb der hier zu betrachtenden Insourcing-Arrangements (Kapitel IV),
  • Abwägung der zukünftigen Perspektiven der räumlichen Lieferantenintegration (Kapitel V).