Bochumer Beiträge Band 80

Becker, Niels: Produktprogrammoptimierung mit Preisbündelung

Bochumer Beiträge des Institut für Unternehmensführung, Ruhr-Universität Bochum, 80 (2010)

Abstract

Die Ergänzung physischer Produkte durch abgestimmte Dienstleistungen bietet besonders auch im Maschinen- und Anlagenbau eine Chance zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und des Erfolgs von Unternehmen, wobei die kunden- und ergebnisorientierte Ausgestaltung der anzubietenden Leistungsbündel eine besondere Herausforderung darstellt. Die differenzierte Produktgestaltung und die geeignete Kombination der ggf. im Bündel anzubietenden Produkte zur Erfüllung der Kundenbedürfnisse bei gleichzeitiger Optimierung des Unternehmenserfolgs ist höchst anspruchsvoll: Unterschiedliche Kundenpräferenzen und Zahlungsbereitschaften in differenzierten Kundensegmenten und die mit Produkteigenschaften verbundenen Kosten sind zu berücksichtigen, wenn über die anzubietenden Produkte mit ihren Eigenschaften und Preisen für unterschiedliche Produktlinien zu entscheiden ist. Die frühzeitige Berücksichtigung von Bündelkonfigurationen bereits in der Designphase lässt besonders positive Ergebniswirkungen erwarten. Teilaspekte dieses komplexen Problems wurden bisher bereits erfolgreich mittels mathematischer Optimierungsansätze gelöst, die Gesamtproblematik erforderte jedoch die Entwicklung und Implementierung innovativer Modelle und Methoden.

Der Autor hat mit der vorliegenden Arbeit ein Entscheidungsunterstützungssystem auf der Basis aktueller mathematischer Modelle und Methoden konzipiert und realisiert, welches Unternehmen bei der Entwicklung von Produktdesign, Produktprogrammplanung, Bündelkonfiguration und Preisfindung optimal unterstützt. Da während der Produktkonfigurationsphase die späteren Zahlungsbereitschaften der Kunden nicht mit Sicherheit bekannt sind, wurde besonderer Wert auf die Erforschung und Integration einer Methode gelegt, die eine hinsichtlich der unsicheren Zahlungsbereitschaften möglichst robuste Lösung bestimmt.  Das innovative System wird anhand eines Anwendungsbeispiels aus der Investitionsgüterindustrie veranschaulicht und die hervorragende Eignung mittels umfangreicher empirischer Untersuchungen belegt. Die durch Bündelung erzielbare Gesamtdeckungsbeitragssteigerung resultiert sowohl aus einer besseren Nutzung der Zahlungsbereitschaft als auch aus einer Erhöhung der Gesamtwohlfahrt durch ein stärker kundenorientiertes Angebot. Simultane Bündelung erzielt meist bessere Ergebnisse als sequentielle Bündelung, ist jedoch algorithmisch aufwendiger. Große Unterschiede zeichnen sich insbesondere, wenn die Anzahl anzubietender Varianten im Vergleich zur Segmentanzahl klein ist. Dann erweist sich eine simultane Bündelung als besonders empfehlenswert.

In der vorliegenden, sehr innovativen und umfassenden wissenschaftlichen Arbeit wird mit der Entwicklung, Implementierung und empirischen Evaluation eines Entscheidungsunterstützungssystems für die Produktprogrammoptimierung einschließlich der Preisbündelung ein äußerst aktuelles, höchst anspruchsvolles Problem gelöst, wozu gemischt-ganzzahlige lineare und nicht lineare mathematische Modelle entwickelt, realisiert und empirisch getestet werden. Die Arbeit beeindruckt durch den stringenten Aufbau und die hervorragende Argumentation, die den themenbezogenen aktuellen Stand der Forschung umfassend darstellt, diskutiert und in die innovativen Modelle integriert. Über die Entwicklung neuer theoretischer Ansätze hinaus werden sowohl optimierende wie evolutionäre Lösungsmethoden realisiert, die selbst für große Instanzen in vertretbarer Zeit sehr gute Ergebnisse liefern. Damit ist auch die Basis für die Durchführung höchst umfangreicher empirischer Untersuchungen gelegt, mit denen die Erfolgsfaktoren für den Einsatz dieser Methoden zur Produktionsprogrammplanung mit sequentieller und simultaner Preisbündelung aufgezeigt werden.

Die Arbeit stellt einen erheblichen wissenschaftlichen Fortschritt hinsichtlich quantitativer Modellentwicklung einschließlich der Realisierung von Lösungsalgorithmen für diesen Anwendungsbereich, theoretischer Impulse für differenzierte Preisgestaltungen und die Entwicklung eines neuen Robustheitsansatzes dar. Neben den herausragenden theoretischen Ergebnissen ist der praktische Nutzen bereits in ersten industriellen Anwendungen im Rahmen des von BMBF geförderten Forschungsprojekts SmartWert belegt, bei dem für verschiedene Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus die Ausgestaltung von Produktprogrammen und Preisen empfohlen wurde.