Ernst Zander-Preis 2023

Am 17.5.2023 wurde der Ernst Zander-Preis 2023 vergeben. Durch diesen von Herrn Prof. Dr. Ernst Zander gestifteten Preis werden alljährlich herausragende wissenschaftliche Leistungen (vorrangig Dissertationen) aus allen Fakultäten der Ruhr-Universität, insbesondere aus den Fakultäten für Wirtschaftswissenschaft, Rechtswissenschaft und Ingenieurwissenschaft ausgezeichnet. Die Auswahl der preiswürdigen Arbeiten erfolgt -auf Vorschlag des Instituts für Unternehmensführung (ifu) der Ruhr-Universität Bochum- durch den Vorstand der Alwin Reemtsma-Stiftung, dem u.a. die Kanzlerin der Ruhr-Universität angehört, die auch die diesjährige Preisverleihung vorgenommen hat.

In diesem Jahr wurde der Preis wie bereits mehrfach in den Vorjahren geteilt. Ausgezeichnet wurden Herr Dr. Simon Fahle (Entwicklung eines maschinellen Lernansatzes zur Qualitätsverbesserung im Radial-Axial Ringwalzen durch Zeitreihenklassifikation, Betreuer: Prof. Dr.-Ing. Bernd Kuhlenkötter, Zweitgutachter: Prof. Dr.-Ing. Detlef Gerhard) und Herrn Dr. Doron Reichmann (Qualitative Disclosures and Capital Market Consequences - A Textual Analysis Approach, Betreuer: Prof. Dr. Stephan Paul, Zweitgutachter: Prof. Dr. Devrimi Kaya).

Herr Dr.-Ing. Fahle war von Februar 2019 bis April 2022 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhls für Produktionssysteme von Herrn Prof. Dr.-Ing Bernd Kuhlenkötter tätig. Ab Mai 2022 arbeitet er als Business Analyst bei der Westnetz GmbH in Dortmund.

Herr Dr. Doron Reichmann ist seit Mai 2019 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Finanzierung und Kreditwirtschaft von Herrn Prof. Dr. Stephan Paul tätig. Ab Juli 2022 hat er die Leitung der FAACT-Forschungsgruppe der Bochumer Fakultät für Wirtschaftswissenschaft übernommen.

Das  Foto zeigt v.l.n.r.: Dr. Christina Reinhardt, Dr. Simon Fahle und Prof. Dr. Bernd Kuhlenkötter.

Das Foto zeigt v.l.n.r.: Dr. Christina Reinhardt, Dr. Simon Fahle und Prof. Dr. Bernd Kuhlenkötter.
©ifu, Seidler

Entwicklung eines maschinellen Lernansatzes zur Qualitätsverbesserung im Radial-Axial Ringwalzen durch Zeitreihenklassifikation

Zahlreiche technische Innovationen und jahrzehntelange Forschung haben den Prozess des Radial-Axial Ringwalzens zu einem bedeutsamen Herstellungsprozess für nahtlos geformte ringförmige Bauteile wachsen lassen. In Zeiten der Erderwärmung und dadurch aufgekommenen globalen CO2-Einsparungskampagnen muss sich auch die Warmumformung neue Ziele für eine CO2-Reduzierung setzen. Neuste Entwicklungen im Bereich des Maschinellen Lernens, vor allem der Durchbruch tiefer neuronaler Netze in den letzten Jahren, bieten neuartige Möglichkeiten in den verschiedenen Industriebereichen. Eine Verknüpfung neuester maschineller Lernmodelle mit den innerhalb des Ringwalzens erzeugten Prozessdaten bieten die Möglichkeit einer Optimierung des Walzprozesses. Diese Optimierung zielt auf eine erhöhte Ressourcen- und Kosteneffizienz durch die Reduzierung von Materialzugaben und die Vermeidung von Ausschuss ab. Umgesetzt wird dies in der Dissertation von Herrn Dr.-Ing. Simon Fahle durch die Entwicklung eines Zeitreihenklassifikationsmodells zur Qualitätsvorhersage und der Erweiterung zu einem Zeitreihenmodell für die frühzeitige Vorhersage von auftretenden Unrundheiten noch während die Walzung stattfindet. Durch die frühzeitige Vorhersage können somit nicht nur Formfehler nach dem Prozess und ohne Vermessungsperipherie vorhergesagt, sondern bereits während der Walzung detektiert und geeignete Gegenwalzmaßnahmen umgesetzt werden. Die Entwicklung des Zeitreihenklassifikationsmodells orientiert sich dabei am Vorgehensmodell des Cross Industry Standard Process for Data Mining. Innerhalb der Anwendung im Radial-Axial Ringwalzen werden hierbei alle sechs Schritte des Vorgehensmodells durchlaufen. Begonnen wird mit der Problemdefinition und der Auswahl einer geeigneten Metrik. Im Anschluss daran wird durch eine umfangreiche Datenaufnahme mit anschließender Datenvorverarbeitung die Grundlage für die Modellbildung geschaffen. Die innerhalb der Arbeit verwendeten Modelle des Maschinellen Lernens werden anhand von Testdaten validiert und abschließend wird eine prototypische Umsetzung an der lehrstuhleigenen Ringwalzanlage installiert. Innerhalb der Entwicklung der Modelle und vor allem bei der Datenaufnahme von industriellen Daten an einer Produktionslinie bei thyssenkrupp rothe erde Germany GmbH wird die Herausforderung der Aufnahme qualitativ hochwertiger überwachter Lerndaten sichtbar. Es werden innerhalb der Forschungsarbeit mehr als 1200 qualitativ hochwertige überwachte Lerndaten unter großem Aufwand aufgenommen. Um diesen Missstand einer teuren und aufwendigen Datenaufnahme zu beheben, werden mit der Erforschung eines Halbüberwachten Lernansatzes und der synthetischen Datengenerierung durch generative Netze zwei potentielle Lösungen entwickelt. Zum einen werden durch den Halb-überwachten Ansatz zusätzlich auch nicht klassifizierte Logdateien der Ringwalzanlagen für eine Verbesserung der Vorhersagegenauigkeit verwendet. Der Vorteil innerhalb dieser Lösung liegt in der deutlich leichteren Beschaffung der nicht klassifizierten Logdateien ohne die dazu passenden Label in Form von Vermessungen. Zum anderen werden anhand der bestehenden Datenbasis generative Netze trainiert, sodass diese die Fähigkeit besitzen selbst neue und somit synthetisch erzeugte Logdateien mit oder ohne ausgeprägten Formfehler zu generieren. Diese synthetischen Logdateien können dann ebenfalls für eine Verbesserung der Genauigkeit bestehender Modelle verwendet werden. Zusammenfassend unterstreichen die Ergebnisse der Dissertation, dass die Anwendung von Methoden des maschinellen Lernens verschiedene Möglichkeiten schafft, den Produktionsprozess effizienter zu gestalten. Zum einen können teure und wartungsintensive zusätzliche Peripheriegeräte wie z.B. ein automatisches Messsystem ersetzt werden. Zum anderen kann der Produktionsprozess analysiert und damit rechtzeitig in den laufenden Prozess eingegriffen werden, so dass Ausschuss und Nacharbeit reduziert werden können. Diese Reduzierung sorgt für eine Verringerung der C02-Emissionen, insbesondere bei einem Warmumformverfahren wie dem Radial-Axial Ringwalzen, da weniger Rohmaterial erzeugt und in den Hochöfen erhitzt werden muss. Darüber hinaus wurden innovative Transferansätze entwickelt, um die Vorhersagequalität der entwickelten Modelle im Bereich der Zeitreihenklassifikation durch den Einsatz von State-of-the-Art-Modellen aus dem Bereich des Semi-Supervised Learning und sogenannter Generative Adversarial Networks zu verbessern.

Das Foto zeigt v.l.n.r. Prof. Dr. Stephan Paul, Dr. Christina Reinhardt und Dr. Doron Reichmann.

Das Foto zeigt v.l.n.r. Prof. Dr. Stephan Paul, Dr. Christina Reinhardt und Dr. Doron Reichmann.
©ifu, Seidler

Qualitative Disclosures and Capital Market Consequences - A Textual Analysis Approach

Die Dissertation “Qualitative Disclosures and Capital Market Consequences – A Textual Analysis Approach” von Herrn Dr. Doron Reichmann besteht aus vier Beiträgen und untersucht den Zusammenhang zwischen qualitativer Berichterstattung und Finanzmarktreaktionen.
Die Tätigkeit von Investoren ist in erster Linie durch die Suche nach Informationen gekennzeichnet. Unterschiedliche Interpretationen von Informationen und unterschiedliche Fähigkeiten, Informationen angemessen zu verarbeiten, sind oft ausschlaggebend für Kapitalmarkbewegungen. In Anbetracht der Informationen, die den Anlegern zur Verfügung stehen, gilt es zu beachten, dass die Mehrheit der verfügbaren Datenquellen qualitativer Natur sind, wobei Prognosen davon ausgehen, dass 80% der weltweiten Datensätze bis 2025 qualitativ sein werden (King, 2019). Qualitative Daten finden sich beispielsweise in Zeitungsartikeln, Fernsehnachrichten oder sozialen Medien. Aber auch in Finanzberichten machen qualitative Angaben den Großteil der obligatorischen und freiwilligen Unternehmensangaben aus (Li, 2010). Jahrzehntelang hat sich die Accounting- und Finance-Literatur hauptsächlich auf die Untersuchung quantitativer Finanzdaten konzentriert. Erst in jüngster Zeit eröffneten Fortschritte in der Computerlinguistik die Möglichkeit, die Rolle von Textinformationen in Kapitalmärkten empirisch zu untersuchen. Diese Arbeit soll einen Beitrag zu dieser Literatur leisten, indem sie die Rolle der qualitativen Berichterstattung auf den Kapitalmärkten mit Hilfe eines Textanalyseansatzes untersucht.
Die ersten drei Beträge fokussieren sich hierbei Textpassagen aus 10-K Berichten und analysieren deren Einfluss auf firmenspezifische Aktiencrashs. Laut der Theorie nach Jin und Myers (2006) können Aktiencrashs durch opportunistisches Managementverhalten entstehen. Grundsätzlich haben Manager durch variable Vergütungsmodelle oder Reputationsgründen Anreize, negative Informationen vor Investoren zu verheimlichen (Kothari et al., 2009). Akkumulieren sich diese schlechten Nachrichten innerhalb einer Firma, erreichen sie mit zunehmender Zeit womöglich einen Kipppunkt, an dem sie nicht länger vor der Öffentlichkeit verborgen werden können. Treten die akkumulierten negativen Nachrichten nun auf den Markt kann dies zu Aktiencrashs führen.
Beitrag I stellt ein Deep Learning Modell vor, welches sowohl quantitative Finanzdaten als auch Texte aus qualitativer Berichterstattung nutzt, um Aktiencrashs vorherzusagen. Hierbei stützt sich das Modell auf die Management Discussion and Analysis (MD&A) der 10-K Berichte, welche direkt vom Management geschrieben wird. Das Modell ist präziser als herkömmliche Machine Learning Modelle und die Text-Daten der MD&A zeigen eine überraschend hohe Vorhersagekraft für zukünftige Aktiencrashs. Die Ergebnisse zeigen darüber hinaus, dass herkömmliche Text-Maße, die in der Aktiencrash-Literatur identifiziert wurden (z.B. Kim et al., 2019), schlechter performen als Modelle, die die vollständigen Texte der MD&A verarbeiten.
Aufbauen auf Beitrag I untersucht Beitrag II, ob die MD&A qualitative Informationen enthalten, die darauf hinweisen, dass Manager Anreize haben schlechte Neuigkeiten zurückhalten da sich dieses Verhalten laut Jin und Myers (2006) oftmals in künftigen Aktiencrashs widerspiegelt. In dem Beitrag wird unter Rückgriff auf Textanalyse Methoden die Intention des Managements, zukünftig Eigenkapital aufzunehmen quantifiziert und mit künftigen Aktiencrash-Maßen korreliert, da die Ergebnisse von Lang und Lundholm (2010) darauf hindeuten, dass Manager vor Kapitalerhöhungen überoptimistische Informationen kommunizieren. Die Methode orientiert sich an Hoberg und Maksimovic (2014). Hierfür wird eine Unterkategorie der MD&A analysiert, in der Manager oftmals explizit schreiben, dass sie planen neues Eigenkapital aufzunehmen. Unter Rückgriff auf ein von Le und Mikolov (2014) entwickeltes Deep Learning Modell wird schließlich ein kontinuierliches Maß entwickelt welches Managers Intentionen Eigenkapital aufzunehmen widerspiegelt. Die Ergebnisse zeigen, dass Manager mit einer stärkeren Intention Eigenkapital aufzunehmen, eher dazu neigen, negative Informationen zurückzuhalten und ihre Unternehmen eher zu künftigen Aktiencrashs neigen. Diese Ergebnisse sind konsistent mit der Theorie von Jin und Myers (2006) und deuten darauf hin, dass die Intentionen Eigenkapital aufzunehmen ein Anreiz darstellen schlechte Neuigkeiten zurückzuhalten.
In Beitrag III wird analysiert, ob Manager die Sprache in der MD&A manipulieren, um negative Informationen zurückhalten und somit das Aktiencrashrisiko von Unternehmen erhöhen. Die Ergebnisse zeigen, dass Manager ihre diskretionären Spielräume über den sprachlichen „Ton“ der 10-K Berichte nutzen, um die Aufmerksamkeit von Investoren auf gute anstelle von schlechten Nachrichten zu lenken. Hierfür wird das von Huang et al. (2014) vorgestellte Ton-Modell verwendet, um die diskretionären Spielräume über den Ton der MD&A zu approximieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Manager diskretionäre Spielräume ihrer Sprache nutzen, um schlechte Neuigkeiten zu verbergen und das Aktiencrashrisiko ihrer Firmen erhöhen. Zusätzliche Analysen zeigen, dass das diese Spielräume insbesondere in risikoreichen Firmen mit niedrigeren Prozessrisiken und stärkeren Informationsasymmetrien genutzt werden.
In Beitrag IV wird der Einfluss der Sprache von EZB-Präsidenten auf Marktbewegungen im Euroraum analysiert. Die Ergebnisse zeigen, dass verschiedene Ton-Dimensionen in der Sprache von EZB-Präsidenten zu signifikanten Marktbewegungen führen. Marktteilnehmer reagieren in Krisenzeiten sensibler auf den allgemeinen Ton der EZB-Präsidenten. Während der Niedrigzinsphase zeigen die Ergebnisse positive Marktreaktionen, wenn EZB-Präsidenten ihr Engagement gegenüber ihrem Mandat kommunizieren. Die empirischen Ergebnisse unterstützen die Ansicht, dass Zentralbankkommunikation und insbesondere die Kommunikation von Engagement in Zeiten der Niedrigzinsphase an Bedeutung gewinnt (Woodford, 2012; Filardo und Hofmann, 2014)
Zusammenfassend unterstreichen die Ergebnisse der Dissertation die Relevanz von qualitativer Berichterstattung in den Finanzmärkten. Die Beiträge I bis III leisten einen Beitrag zu der bestehenden Aktiencrashrisiko-Literatur indem sowohl ein Prognosemodell vorstellt (Beitrag I) als auch neue Determinanten des Aktiencrashrisikos identifiziert werden (Beitrag II & III). Abschließend leistet Beitrag IV einen Beitrag zu der Literatur der Zentralbankkommunikation. Die Ergebnisse zeigen, dass Märkte sensibel auf den Ton der EZB Präsidenten reagieren.