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Am 10.5.2019 wurde der Ernst Zander-Preis 2019 an der Ruhr-Universität Bochum vergeben. Durch diesen von Herrn Prof. Dr. Ernst Zander gestifteten Preis werden alljährlich herausragende wissenschaftliche Leistungen (vorrangig Dissertationen) aus allen Fakultäten der Ruhr-Universität, insbesondere aus den Fakultäten für Wirtschaftswissenschaft, Rechtswissenschaft und Ingenieurwissenschaft ausgezeichnet. Die Auswahl der preiswürdigen Arbeiten erfolgt -auf Vorschlag des Instituts für Unternehmensführung (ifu) der Ruhr-Universität Bochum- durch den Vorstand der Alwin Reemtsma-Stiftung, dem u.a. die Kanzlerin der Ruhr-Universität angehört.

Den Ernst Zander-Preis erhielten in diesem Jahr aus den Händen der Kanzlerin der Ruhr-Universität, Frau Dr. Christina Reinhardt, Herr Dr. Tristan Becker (Innovative Optimization Methods for Location and Personnel Planning – Models and Algorithms with Applications in Production and Service, Betreuerin: Prof. Dr. Brigitte Werners) und Herr Dr.- Ing. Philip Gebus (Instandsetzungsassistenz für IPS²-Netzwerke auf Basis der Analyse unstrukturierter Serviceberichte, Betreuer: Prof. Dr.-Ing. Michael Abramovici).

Herr Dr. Becker war bis Ende April 2019 am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Unternehmensforschung und Rechnungswesen von  Prof. Dr. Brigitte Werners als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig. Seit Mai 2019 forscht Herr Dr. Becker als PostDoc im Rahmen des Exzellenzcluster „The Fuel Science Center“ am Lehrstuhl für Operations Management der RWTH Aachen.

Herr Dr. Gebus war von Oktober 2014 bis Ende 2018 am Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik von Herrn Prof. Dr. Michael Abramovici als wissenschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt. Seit Januar 2019 arbeitet Herr Dr. Gebus als Data Engineer in der Verfahrenstechnik bei der Evonik Industries AG.

Zanderpreis2019

Das Foto zeigt v.l.n.r.: Prof. Dr. Brigitte Werners, Dr. Tristan Becker, Dr. Philip Gebus und Prof. Dr. Michael Abramovici

© Petrowa


Innovative Optimization Methods for Location and Personnel Planning – Models and Algorithms with Applications in Production and Service


Methoden der mathematischen Optimierung werden vielfältig eingesetzt, um komplexe Entscheidungsprobleme zu lösen. Zunehmend schwierige Situationen, die durch dynamische Entwicklungen und Unsicherheiten charakterisiert sind, erfordern eine Anpassung sowohl von existierenden Modellen als auch Algorithmen, um effizient gute Lösungen zu generieren.

Herr Dr. Becker entwickelt in seiner Arbeit innovative mathematische Formulierungen und Lösungsalgorithmen insbesondere im Kontext der Standort- und Schichtplanung.
Im Bereich der Standortplanung wird der Einfluss von modularen Produktionsanlagen auf die Produktionsnetzwerkplanung in der chemischen Industrie untersucht. Kleinskalige modulare Produktionsanlagen bestehen aus standardisierten Prozessmodulen und können in Transportcontainern montiert werden. So können, wenn sich der Ort der Kundennachfrage ändert, modulare Produktionsanlagen verlagert werden und sich der Nachfrage geografisch anpassen. Ändert sich die Produktart, die der Kunde wünscht, können Prozessmodule der modularen Produktionsanlage ausgetauscht werden, um den Produktionsprozess kurzfristig zu ändern. Im Vergleich zu konventionellen Großanlagen steigt die Flexibilität des Produktionsnetzwerks drastisch. Um mit der gesteigerten Planungskomplexität umzugehen, wurden innovative mathematische Formulierungen entwickelt. Fallstudien aus der chemischen Industrie zeigen, dass der Einsatz von modularen Produktionsanlagen für bestimmte Produktgruppen zu Kosteneinsparungen führen kann.
Bei der Schichtplanung steigt die Komplexität mit der Anzahl der Mitarbeiter und beansprucht so zunehmend die wertvolle Zeit des zuständigen Managers. Wenn ein zyklischer Schichtplan eingesetzt wird, kann der Aufwand der Schichtplanung deutlich reduziert werden, da dieser bei unveränderten Anforderungen einfach wiederholt werden kann. Neben rechtlichen und praktischen Rahmenbedingungen sollte dieser Mitarbeiterinteressen in möglichst hohem Maß berücksichtigen. Dazu wurden neue mathematische Modelle und Algorithmen entwickelt, die es ermöglichen, auch für eine große Zahl an Mitarbeitern in kurzer Zeit einen Plan zu ermitteln, der gleichzeitig Mitarbeiterinteressen berücksichtigt. Die Methoden zur Schichtplanung konnten sich bereits in der Praxis bewähren. Seit 2018 setzt der Bochumer Rettungsdienst einen Dienstplan ein, der durch die innovativen mathematischen Methoden ermittelt wurde.


Instandsetzungsassistenz für IPS²-Netzwerke auf Basis der Analyse unstrukturierter
Serviceberichte


Schätzungen zufolge liegen circa 95 Prozent der Daten produzierender Unternehmen in unstrukturierter Form vor. Die Auswertung dieser Daten erschließt der Industrie gänzlich neue Möglichkeiten der Ausschöpfung des Unternehmensfaktors „Wissen“. Allerdings wird dieser digitale Wissensfaktor im Rahmen der Instandhaltung noch nicht effizient genutzt. Dies liegt einerseits an mangelnden Methoden zur automatisierten Analyse und Bereitstellung unstrukturierter Instandhaltungsdaten. Andererseits stehen dem Servicepersonal nur eingeschränkte Möglichkeiten zur digitalen Informationserschließung zur Verfügung, da viele Kompetenzen im Rahmen der Instandhaltung lediglich in den Köpfen der Mitarbeiter hinterlegt sind, nicht systematisch erfasst werden und daher nicht ad-hoc abrufbar sind. Der Zugriff auf bisher vorhandenes digitales Wissen nimmt viel Arbeitszeit der Instandhaltungsfachleute in Anspruch, da die Ergebnislisten einer Volltextsuche in instandhaltungsunterstützenden Systemen lang sind, eine hohe Anzahl irrelevanter Treffer enthalten und Servicetechniker jedes Dokument manuell auf die Relevanz in Bezug auf das aktuelle Fehlerbild untersuchen müssen. Wertvolle Erfahrungen von anderen Unternehmen im Zusammenhang mit der Behebung einer Störung stehen dem Servicetechniker in der Regel nicht zur Verfügung.
Herr Dr. Philip Gebus adressiert diese Problematik und leistet einen Forschungsbeitrag hinsichtlich der Verkürzung der vom Instandhaltungspersonal benötigten Zeit zur Informationssuche, Fehlerortung sowie -behebung. Dazu werden innovative Methoden zur automatisierten Analyse, Bereitstellung und Qualitätssicherung von natürlichsprachlichen Instandsetzungsberichten beliebiger Struktur vorgestellt und im Rahmen eines Softwareprototyps implementiert. Der Softwareprototyp dient als Plattform zur Instandsetzungsassistenz, die Anbieter von Industriellen Produkt-Service-Systemen (IPS²) verschiedenen Servicepartnern zur Verfügung stellen können. Der Prototyp unterstützt die Servicetechniker unter anderem bei der Fehlerortung im Rahmen der Anlageninstandsetzung durch eine automatisierte Bereitstellung fehlerbildspezifischer Störungs¬ursachen. Das mithilfe der entwickelten Methoden gewonnene Störungswissen bietet über die Instandhaltung hinaus auch enorme Potenziale für die frühen Produktlebenszyklusphasen, beispielsweise im Kontext der Verbesserung zukünftiger Produktgenerationen.