Arbeitsbericht Nr. 104

Avaria, Corina / Gersch, Martin: Die Branchenformation der Musikindustrie

Arbeitsberichte des Institut für Unternehmensführung, Ruhr-Universität Bochum, 104 (2007)

Abstract

Die Musikindustrie erfährt seit über zehn Jahren fundamentale Veränderungen. Digitalisierung und Vernetzung wurden zu Antriebskräften beobachtbarer Transformationsprozesse. Für die Musikbranche ergibt sich dabei ein „digitales Dilemma“: Prinzipiell werden innovative Geschäftsmodelle sowie neue Leistungsangebote und Vertriebswege als Optionen deutlich. Gleichzeitig wird aber auf Anbieterseite ein bedrohlicher Kontrollverlust über zentrale Nutzungsrechte genauso offensichtlich wie mangelnde unternehmerische Phantasie bei der öko-nomischen Nutzung sich rasant verändernder technischer Möglichkeiten und vor allem sich verändernder Nachfragebedürfnisse und Zahlungsbereitschaften. Vor allem Branchenfremde (wie zum Beispiel Napster oder Apple) erkennen immer wieder strategische Gelegenheitsfenster im Markt und werden zu Treibern der Transformation. Insbesondere angesichts der sich dramatisch verändernden Absatzzahlen sowie der wachsenden Nutzung entgeltloser Beschaffungsmöglichkeiten wurden zahlreiche Untersuchungen und Studien bezüglich des digitalen Dilemmas in der Musikbranche veröffentlicht. Systematische ökonomische Analysen des Transformationsprozesses sowie der resultierenden einzelwirtschaftlichen Herausforderungen sind jedoch bisher – vermutlich auch aufgrund der Viel-seitigkeit des Themas und insbesondere aufgrund einer fehlenden ökonomischen Theoriebasis – allenfalls in Ansätzen zu finden. Mit dem vorliegenden Arbeitsbericht unternehmen die Autoren Martin Gersch und Corina Avaria den Versuch, Auslöser, Ausprägungen und Auswirkungen des Transformationsprozesses in der Musikindustrie vor dem Hintergrund der Entwicklung insbesondere des deutschen Marktes sowie auf der Grundlage (co-) evolutorischer Forschungskonzeptionen zu analysieren. Darüber hinaus werden erste Handlungsalternativen für betroffene Akteure abgeleitet. Theoretische Grundlage hierfür ist die aktuell entstehende Weiterentwicklung ressourcen- und kompetenzbasierter Ansätze zu einer so genannten „Competence-based Theory of the Firm“ unter dem Dach der Marktprozesstheorien. Auf dieser Basis wird zum einen die Identifikation verschiedener Veränderungsmechanismen auf der Gesamtmarktebene möglich, zum anderen kann auch auf einzelwirtschaftlicher Ebene eine differenzierte Analyse vorgenommen werden, innerhalb derer die bisherige Ressourcen- und Kompetenzgestaltung einzelner Akteure sowie verfügbare Strategieoptionen reflektierbar sind. Die theoriebasierte Verbindung beider Ebenen eröffnet ein besseres Verständnis über die Ur-sachen der Branchentransformation, insbesondere jedoch über die (Nicht-) Existenz beziehungsweise die Besonderheiten verfügbarer Handlungs- und Gestaltungsspielräume einzelner Akteure, ihre eigene aktuelle und zukünftige Marktposition zielgerichtet zu beeinflussen. Im Rahmen des vorliegenden Arbeitsberichtes werden dabei unter anderem strategische Allianzen als mögliche Maßnahme betrachtet, um im zunehmend konvergierenden Medienmarkt auf sich abzeichnenden Entwicklungspfaden zu bestehen. Die Ergebnisse des Arbeitsberichtes legen die Vermutung nahe, dass der überwiegende Teil der in der Musikindustrie handelnden Akteure seine gegenwärtige und zukünftige Positionierung im Markt sowie die individuell (nicht) verfügbaren strategischen Optionen nur unzureichend reflektiert hat oder hieraus – zumindest bisher – keine nachhaltigen Konsequenzen ziehen konnte (oder wollte). Weitere Diskussionen und systematische Untersuchungen der andauernden Transformationsprozesse in der Musikindustrie erscheinen unerlässlich. Die Autoren laden alle Leser ein, sich an der kritischen Diskussion zu beteiligen und ihre Eindrücke und Anregungen mit den Autoren zu teilen. Hierzu entsteht auch eine internetbasierte Möglichkeit, die unter der Adresse http://www.cbtf.de zu erreichen ist.