Arbeitsbericht Nr. 114

Müller, Heiko / Langkau, Dirk: Die Wirkung des steuerlichen Lock-in Effekts auf Share- und Asset-Grenzpreise

Arbeitsberichte des Institut für Unternehmensführung, Ruhr-Universität Bochum, 114 (2013)

Einleitung

Die Ertragsbesteuerung von unternehmerischen Gewinnen orientiert sich insbesondere aus Gründen der Praktikabilität der Steuererhebung und der Rechtssicherheit weitgehend am realisierten Reinvermögenszugang („Schanz-Haig-Simons-Konezpt“) um Informations- und Liquiditätsproblemen zu begegnen.1 Da infolge einer derart gestalteten Besteuerung stille Reserven entstehen, kommt es zu dem sogenannten Lock-in Effekt, der einen Anreiz bietet, die Realisation von Wertsteigerungen und damit die Steuerzahlung aufzuschieben.2

Der im Zusammenhang mit der Veräußerungsgewinnbesteuerung auftretende Lock-in Effekt kann Auswirkungen auf Unternehmenskäufe haben. Ermittelt der Veräußerer seine Kaufpreisforderung und der Erwerber seine Kaufpreiszahlungsbereitschaft auf Basis von investitionstheoretischen Kalkülen unter adäquater Berücksichtigung der Besteuerung3, kann der Lock-in Effekt ein steuerliches Transaktionshindernis darstellen.4 Die erhöhende Wirkung der Veräußerungsgewinnsteuer auf den Veräußerer-Grenzpreis erfährt aufgrund der in der Regel fehlenden Möglichkeit einer Sofortabschreibung auf Seiten des Erwerbers keine ausreichende Kompensation in einer entsprechenden Erhöhung der Zahlungsbereitschaft, so dass eine steuerbedingte Differenz zwischen Veräußerer- und Erwerber-Grenzpreis entstehen kann.5

Für die beiden alternativen Transaktionsformen eines Unternehmenskaufs, dem Shareund dem Asset-Deal, unterscheiden sich sowohl die Veräußerer- als auch die Erwerber- Grenzpreise infolge der grundlegend verschiedenen Besteuerung voneinander. Darüber hinaus divergieren die Grenzpreise steuerbedingt in Abhängigkeit von der Rechtspersönlichkeit der Transaktionsparteien. Da sich der Lock-in Effekt unterschiedlich auf die beiden Transaktionsformen auswirkt, ergibt sich für den Veräußerer und den Erwerber das Entscheidungsproblem der Wahl der ertragsteueroptimalen Transaktionsform. Auf Basis des Grenzpreiskalküls ist die Transaktionsform als optimal zu bezeichnen, die einen Steuerarbitragevorteil6 bzw. kein oder das kleinste steuerbedingte Transaktionshemmnis aufweist.

Neben der Transaktionsform und der Rechtspersönlichkeit der Transaktionsparteien können auch steuerliche Verlustvorträge einen erheblichen Einfluss auf die Grenzpreise haben, wobei die Wirkungen auf die Asset- und Share-Grenzpreise des Veräußerers bzw. des Erwerbers wiederum unterschiedlich sind.7 Im deutschen Steuerrecht resultieren diese Wirkungen insbesondere aus der Mantelkaufregelung des § 8c KStG sowie den Verlustabzugsregelungen der §§ 10d EStG und 10a GewStG.

In dem vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie die Share- und Asset- Grenzpreise des Veräußerers und des Erwerbers von der Veräußerungsgewinnbesteuerung, der Verrechnung der Anschaffungskosten des Erwerbers, der Rechtspersönlichkeit der Transaktionsparteien und der steuerlichen Mantelkaufregelung des § 8c KStG beeinflusst werden. Es wird untersucht, in welchem Fall ein steuerliches Transaktionshemmnis entsteht und welche Transaktionsform ertragsteuerlich optimal ist.

 

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1 Vgl. statt vieler Schreiber (2008), S. 11 ff.
2 Vgl. Holt/Shelton (1961), S. 565 ff. und Auerbach (1989), S. 395.
3 Da Steuerzahlungen die Zielgröße des Entscheidungsträgers beeinflussen und eine Nichtberücksichtigung das Risiko einer Fehlentscheidung in sich birgt, sind Steuern bei der entscheidungsorientierten Wertbestimmung grundsätzlich zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Veräußerungsgewinnsteuerbelastung. Vgl. hierzu Wagner (1972), S. 1639 ff.
4 Vgl. beispielsweise Rogall (2003), S. 30 ff.
5 Vgl. König/Wosnitza (2000) und Elser (2000), S. 159 f.
6 Vgl. zum Begriff der Steuerarbitrage bspw. Schneider (1992), S. 378.
7 Vgl. Jacob/Pasedag (2010); Sureth/Vollert (2010) und Langkau/Wiese (2012).